Beitragvon sukraM » 14.02.2014 19:03
Du hast Bereitschaft, dein Telefon klingelt. Du siehst an der Nummer, das gleich ein Tier Hilfe benötigen wird. Du erkennst am Klang der Stimmer deiner Leiterin, das es sehr Ernst ist...
Du wirst kurz und bündig instruiert, du notierst dir die Adresse und die Stichworte... Anruf der Kreisleitstelle der Polizei; schwerer Verkehrsunfall, Hund eingeklemmt und bewusstlos, Feuerwehr und DRK vor Ort.
Du ziehst deine Einsatzbekleidung an, Checkst kurz im Navi die Adresse (zum Glück kennst du den Weg dorthin Auswendig, spart wertvolle Zeit), nimmst den Notfallrucksack, rennst zum Auto und fährst los.
Auf dem Weg zum Einsatzort schnellen dir duzende Gedanken durch den Kopf - Was erwartet dich, welches Verletzungsmuster erwartet dich, ist er schon geborgen. Ein Gedanke hämmert.... lebt er noch. Du verdrängst diesen Gedanken - du musst dich auf den Verkehr konzentrieren. Trotzdem schießen dir die Gedanken weiter durch den Kopf; im Geiste spielt man verschieden Szenarien und Verletzungsmuster durch, was zu tun ist.
Du näherst dich der angegebenen Adresse. Als erstes siehst du gelbes Blinklicht - ein Abschleppwagen bei der Arbeit. So schlimm kann es nicht sein, wenn schon das Fahrzeug geborgen wird. Du kommst näher, du siehst blaues Blinklicht, einer, nein zwei Polizeiwagen stehen quer und sperren die Straße, dazwischen ein PKW. Du hälst an, nimmst den Notfallrucksack, rennst zum PKW. Du siehst den Zustand - Totalschaden, es gibt keinen Motorraum mehr. Das Auto steht an einem Baum, den es zuvor gerammt hat.
Dein Puls beschleunigt, dein Blick fokusiert sich, du hörst einen Polizisten, der dich kurz und knapp informiert: Der Hund ist noch im Kfz, er ist bewusstlos, evtl. eingeklemmt.
Du näherst dich dem verunfallten Fahrzeug, du bist hochkonzentriert, du nimmst nicht die Blicke der Schaulustigen und der anderen Einsatzkräfte mehr wahr.
Du ziehst das Tier aus dem Auto, legst es auf die Rettungsdecke, du prüfst die Atmung, den Puls und den Pupillenreflex....
...nun weißt du, was du beim ersten Anblick befürchtest, ja schon geahnt hast: Der Hund ist tot. Du suchst den Blick des Besitzers, er steht flankiert von einem Polizisten und einem Rettungssanitäter und schaut dir in die Augen. Du siehst seinen Blick, gezeichnet von Angst, Schuld, Hoffnung - und das Flehen, das du seinen geliebten Hund retten kannst. Du wendest dich verzweifelt dem Hund zu, fängst wider besseres Wissen die Reanimation an. 20 mal Herzdruck, 2 mal Beatmen. Einmal, zweimal, dreimal. Du checkst noch einmal die Vitalfunktionen, vergeblich. Du hebst deinen Blick, schaust den Besitzer an und schüttelst leicht mit dem Kopf. Du siehst, wie er innerlich zerbricht, immer noch gestützt vom Sanitäter und dem Polizisten.
Du hast jedes Zeitgefühl verloren, du kniest immer noch vor dem leblosen Hund. Du bemerkst nun langsam den strömenden Regen und bist darüber froh: so sieht niemand, das dir selber Tränen über dein Gesicht laufen. Schnell wischst du dir über das Gesicht, du bist Profi, du darfst nicht weinen...
...du stehst auf, langsam nimmst du wieder die Umgebung wahr, du siehst, wie deine Leiterin der Tierambulanz mit dem TierKrankenwagen eintrifft, du bist erleichtert, aber du konntest das Tier nicht retten. Du hilfst mit, das Tier in den TKrW zu heben. Du siehst, wie die Frau des verunfallten Mannes eintrifft. Du trittst beiseite, damit sie von ihrem Tier Abschied nehmen können.
Du siehst, wie der Mann in den bereitstehenden Rettungswagen geleitet wird, er steht unter Schock und wird zur Vorsicht in die Notaufnahme gebracht, wie du ein paar Minuten später von der Polizei erfahren wirst. Du erfährst nun auch Näheres zum mutmaßlichen Unfallhergang. Langsam fällt die Anspannung von dir ab, die Polizei und auch die Feuerwehr bescheinigen die "gute Arbeit"...
...Der Einsatz ist beendet, der Unfallwagen aufgeladen, der Verletzte und seine Frau auf dem Weg ins Krankenhaus. Man fährt zusammen in die Zentrale und macht die obligatorische Nachbesprechung. Am Abend wieder zuhause, du bemerkst, das du eigentlich etwas Kochen wolltest, kurz bevor der Notruf kam. Du realisierst. das du noch nichts gegessen hast, aber du hast auch nach 6 Stunden noch keinen Hunger. Irgendwann liegst du im Bett und machst dir Gedanken: "gute Arbeit" - "gute Arbeit" hämmert es in deinen Gedanken. Du fragst dich, war es wirklich gute Arbeit? Du konntest dem Tier nicht helfen, hättest du schneller am Einsatzort sein können? ...
...Du wachst auf, ein neuer Tag, aber trotzdem denkst du an Gestern. Immer wieder "gute Arbeit". Dann kommt ein Anruf: Die Untersuchung des Hundes ergab, das er schon beim Unfall verstorben war und es keine Rettung mehr hätte geben können, egal wie schnell man am Einsatzort gewesen wäre. Ist das ein Trost? Nicht wirklich....
So oder ähnlich und nicht immer so dramatisch geschieht es täglich in Deutschland. Egal, ob es die Kollegen der anderen Tierrettungsdienste oder uns selber "trifft". Auch damit müssen wir klarkommen. Zum Glück gibt es auch die Einsätze, in denen wir erfolgreich Helfen konnten. Zum Glück sind diese Art der Einsätze die Mehrzahl!