Kater Mickey aus der Bar „Select“ in Montparnasse gestorben
Verfasst: 08.12.2013 09:03
Kater Mickey aus der Bar „Select“ in Montparnasse gestorben
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FAZ online - Requiem für eine Katze - Der Geist von Montparnasse ist fort
Früh am Morgen, wenn auf dem Boulevard Raspail die grünen Putzmaschinen den Dreck der Nacht in den Rinnstein fegten und in der Rue Vavin die verbeulten weißen Lieferwagen Baguettes, Blumen, Fleisch und Zeitungen für den Tag anlieferten, lag der Kater reglos ausgestreckt auf der Bar und verfolgte mit einem geöffneten Auge die entschlossen kurvenden Bewegungen des Putzlappens, mit dem der Barkeeper auf dem Tresen des „Select“ die letzten Rotweinringe des Vortags entfernte. Es war die Stunde, in der das Café nicht geöffnet und nicht geschlossen hatte, die Stühle draußen auf dem Boulevard Montparnasse standen noch kopfüber auf den Tischen.
Wenn sich das „Select“ später füllte, verzog sich der Kater hinter den Tresen und tauchte nur manchmal auf; erst nach Mitternacht eroberte er sich die Kunstlederbänke im hinteren Teil der Bar zurück. Niemand wusste, woher er kam. Die Besitzer der Bar hatten ihn Mickey getauft, als er ihnen 1993 zugelaufen war. Am Anfang war das Tier immer wieder für ein paar Tage verschwunden, aber irgendwann bleib es im „Select“, auch nachts, und verließ es nicht mehr: Die Bar wurde seine Welt.
Fixpunkt einer ganzen Welt
Die alten Damen aus dem Viertel nannten den Kater „Le Chat d’or“, sie schrieben ihm, wenn sie verreisten, Postkarten, er war für sie ein guter Geist, ein Dämon des Tresens, an dem seit der Eröffnung des „Select“ vor genau neunzig Jahren schon Picasso, F. Scott Fitzgerald und der Katzenfreund Hemingway saßen. Für einen Kater war er uralt. Die Bar schien ihn zu konservieren, er thronte dort wie eine würdevolle ägyptische Gottheit. Geboren, als Mitterrand Präsident, Helmut Kohl Kanzler und Postleitzahlen in Deutschland noch vierstellig waren, war es irgendwann, als sei der Kater schon immer dagewesen und werde immer dort sitzen, sein Tod erschien, wie bei Oscar Niemeyer oder Johannes Heesters, mit wachsendem biblischem Alter immer unmöglicher: eine Aura des Immerdaseienden umgab ihn.
Auf dem Boulevard Montparnasse ersetzte eine ...
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